Heusenstamm

in der NS-Zeit

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Das Doktorhaus

Paulstraße 49

Zwangssterilisationen und Zwangseinweisungen – auch in Heusenstamm

Hier stand das alte Doktorhaus, in dem Dr. Fritz Anselm- anfangs noch zusammen mit seinem Vater - praktizierte. Von den Heusenstammern „Doktor Fritz“ genannt, war er als Arzt wegen seiner praktischen Art und seiner Kompetenz anerkannt. Als Mitglied der NSDAP vertrat er aber auch deren Vorstellung von "Rasse" und ihrer „Reinerhaltung“. Als das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses1“ vom Juli 1933 Zwangssterilisationen2 ermöglichte, unterstützte er den Bürgermeister bei der Meldung infrage kommender Personen an das Erbgesundheitsgericht. Darüber hinaus wurde verstärkt die Ausgliederung der psychisch Kranken aus der gewohnten familiären Umgebung und ihre Einweisung in Anstalten betrieben. Diese Einweisungen dienten der organisatorischen Vorbereitung für die kurz nach Kriegsbeginn einsetzenden Mordaktionen an den Patient*innen und machten es den Angehörigen und Teilen der Öffentlichkeit zunächst unmöglich, diese Verbrechen zu durchschauen.

Im Stadtarchiv finden sich ausführlich dokumentierte Fälle. Für den Hilfsarbeiter A. wurde vom Erbgesundheitsgericht die Sterilisation wegen vermeintlich „angeborenen Schwachsinns“ beantragt. Man forderte in einem streng vertraulichen Schreiben den Bürgermeister auf, auch über die Familie von A. Erkundigungen einzuziehen. Zur Amtshilfe verpflichtet waren die Lehrer, die die Zeugnisse von A. und seiner Kinder vorlegen und dabei auch Stellungnahmen abgeben mussten. „Ihrer ganzen geistigen Entwicklung nach ist B. zwei Jahre zurück“ und „C.wäre bei größerem Fleiß ein mittelmäßiger Schüler“. Aus diesen Antwortschreiben folgerte dann der Bürgermeister in seinem Schreiben an das Erbgesundheitsgericht, dass bei beiden Kindern „geistige Minderwertigkeit“ angenommen werden müsse. Er lieferte damit auch die Kinder des A. der erbbiologischen Registrierung aus

Die Landarbeiterin M. wurde zur Frage der Unfruchtbarmachung angehört. Sie lehnte die Unfruchtbarmachung ab. Die Arbeitgeberin beurteilte die Landarbeiterin zunächst nicht als „schwachsinnig“, sondern sie sei „nur als geistig minderwertig anzusehen.“ Die amtliche Befragung ergab zu wenig Anhaltspunkte für eine Zwangssterilisation . Frau M. war bis dahin offensichtlich integriert und arbeitsfähig. Die Nachforschungen verstörten sie jedoch so sehr, dass dies als „erneuter Ausbruch der Krankheit“ interpretiert wurde. Frau M. wurde umgehend entlassen. Pflichtgemäß meldete dies die Arbeitgeberin dem Bürgermeister, dieser wiederum dem Erbgesundheitsgericht.

Frau S. war mit der Entscheidung des Erbgesundheitsgerichts zur Sterilisation nicht einverstanden. Sie wurde mit Gewalt zur Sterilisation vorgeführt. Kurz und knapp meldete das Stadtkrankenhaus Offenbach den Vollzug. Diese Fälle zeigen beispielhaft, wie kranke und behinderte Menschen auch in Heusenstamm der Rassenideologie zum Opfer fielen. Das Umfeld wie Lehrer, Nachbarn, Arbeitgeber und auch der Arzt waren beteiligt.

Material:

Das Zwangssterilisation – Das Erbgesundheitsgericht fordert Amtshilfe 3 (nachgesprochen)

Der Bürgermeister leistet sie 4 (nachgesprochen)

Bald wurde verstärkt die Ausgliederung der psychisch Kranken aus der gewohnten familiären Umgebung und ihre Einweisung in Anstalten betrieben. Dass dies auch gegen den Willen der Betroffenen und ihrer Angehörigen durchgesetzt wurde, zeigt das Beispiel von Frau L. Obwohl die psychisch kranke Frau L. in der Lage war, sich auch bei längerer Abwesenheit ihres Mannes alleine zu versorgen, sollte sie nach dem Willen des Offenbacher Kreisamtes in der Pflegeanstalt Goddelau untergebracht werden. Da sich der Ehemann jedoch weigerte, die vorgefertigte sogenannte „freiwillige“ Aufnahmeerklärung zu unterzeichnen, leistete in diesem Fall Dr. Anselm die gewünschte Amtshilfe: Frau L. wurde zwangseingewiesen. Ihr weiteres Schicksal ist ungewiss.

Material:

Frau L. wird zwangseingewiesen 5 (nachgesprochen)

MEDIEN-EINTRÄGE

Das Doktorhaus

An dieser Stelle stand das Doktorhaus

Altes Doktorhaus

Altes Doktorhaus

Das Zwangssterilisation – Das Erbgesundheitsgericht fordert Amtshilfe 3 (nachgesprochen)

Der Bürgermeister leistet sie 4 (nachgesprochen)

Frau L. wird zwangseingewiesen 5 (nachgesprochen)