Heusenstamm

in der NS-Zeit

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Erinnerungstafel am alten Rathaus - Über Schwierigkeiten im Umgang mit der NS-Vergangenheit

Schloßstr. 10

In Heusenstamm hat die lokale Aufarbeitung der NS-Zeit spät begonnen – später als in vielen umliegenden Gemeinden. Erst 1995 ließ die Stadt eine Gedenktafel am alten Rathaus anbringen. Bis dahin gab es keinen Ort der Erinnerung an die Heusenstammer Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.

Anfang der 1980er Jahre – der 50. Jahrestag der Machtübernahme der Nationalsozialisten stand bevor - gab es überall in Deutschland und auch in Heusenstamm, Initiativen aus der Zivilgesellschaft, die sich um die lokale Aufarbeitung bemühten.1

Eine Gruppe Heusenstammer Bürgerinnen und Bürger2 recherchierte in Archiven und sprach mit vielen Zeitzeug*innen. Zwischenergebnisse präsentierten sie in zwei Ausstellungen, die großes Echo fanden. Nur der Zugang zum Stadtarchiv blieb ihnen verwehrt. Am Ende eines langen Gerichtsverfahrens musste die Stadt ihnen schließlich Archivunterlagen zur Verfügung stellen. Da mittlerweile viele Zeitzeugen gestorben waren, konnten viele Fragen nicht mehr beantwortet werden. 1990 wurden die Rechercheergebnisse in einem Buch3 veröffentlicht. Kurz zuvor hatte auch der Stadtarchivar Alfred Dittrich eine Broschüre zur Geschichte der jüdischen Gemeinde herausgegeben.4

Nach der Jahrtausendwende begegneten die politisch Verantwortlichen der Stadt der Aufarbeitung der NS-Zeit offener. Der Magistrat unterstützte in einem Beschluss die Verlegung von Stolpersteinen im öffentlichen Raum. Eine Initiative unter Federführung von Sabine Richter- Rauch hatte dieses Projekt angeregt und sich um seine inhaltliche Begleitung und Finanzierung gekümmert. So konnte 2007 der Künstler Gunter Demnig die an die verfolgten und ermordeten jüdischen Bürger*innen erinnernden „Stolpersteine“ vor einem Teil der ehemaligen jüdischen Häusern verlegen.

Weitere Bücher zur jüdischen Geschichte erschienen5 2008 und 2014. Der Heimat und Geschichtsverein präsentiert heute die Geschichte der Heusenstammer Jüdinnen und Juden in seiner Dauerausstellung. Viele Gedenkveranstaltungen und Stadtrundgänge zur NS-Geschichte stießen auf großes Interesse. 2016 Veröffentlichte Michael Kern unter Mitarbeit einer Projektgruppe des Adolf-Reichwein-Gymnasiums seine Ergebnisse zu Kriegsende und früher Nachkriegszeit.6 Seit 2019 wurden Dank des bundesweiten Projekts „Partnerschaft für Demokratie“ auch in Heusenstamm Projekte gegen Rassismus und Antisemitismus durchgeführt.

Mittlerweile sind viele Dokumente zur NS-Zeit leichter zugänglich, weil keine Sperrfristen mehr gelten. Viele Themen harren der Vertiefung, Aufarbeitung und der Veröffentlichung. Stellvertretend seien hier nur das Schicksal der Zwangsarbeiter*innen und der von Zwangssterilisation und Zwangseinweisung betroffenen Menschen genannt. Und es fehlen noch die 11 Stolpersteine für die Familien Ehrmann, Schönmann und Frankfurter.

    Quelle:

  • 1 Am 8. Mai 1985 hielt der damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker anlässlich des 40. Jahrestags des Kriegsendes eine Rede. Sie markiert einen Wendepunkt in der deutschen Erinnerungspolitik.
  • 2 Sie arbeiteten in der Heusenstammer Friedensinitiative zusammen, die auch zu aktuellen politischen Entwicklungen Stellung bezog.
  • 3 Gisela Beez, Brigitte Fischer (Hrsg), Spurensuche: NS-Zeit in Heusenstamm, 1990
  • 4 Alfred Dittrich, Aus der Geschichte der jüdischen Kultusgemeinde in Heusenstamm, 1989
  • 5 Sabine Richter-Rauch (unter Mitarbeit von Gisela Beez), Sie wohnten neben uns – Die jüdischen Familien in Heusenstamm zwischen 1933 und 1945 Gil Hüttenmeister, Sabine Richter-Rauch, Gernot Richter, Hier ist verborgen …, Der jüdische Friedhof in Heusenstamm
  • 6 Michael Kern, Heusenstamm 1945 – Kriegsende und frühe Nachkriegszeit, Ein Projekt des Adolf-Reichwein-Gymnasiums, hrsg. Heimat und Geschichtsverein Heusenstamm

MEDIEN-EINTRÄGE

Gedenktafel aus dem Jahr 1995 für die Opfer der NS-Zeit in Heusenstamm

Gedenktafel aus dem Jahr 1995 für die Opfer der NS-Zeit in Heusenstamm