Heusenstamm

in der NS-Zeit

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katholisches Pfarrhaus – Kaplan Brantzen

Schloßstraße 8

Im katholischen Pfarrhaus in der Schloßstraße 5 wohnte Kaplan Johannes Brantzen während seiner Dienstzeit in Heusenstamm im Jahr 1942.

Johannes Brantzen wurde am 22.10.1912 in Kyllburg in der Eifel geboren. Später zog die Familie nach Mainz, wo er am Rabanus-Maurus-Gymnasium sein Abitur machte und danach ein Theologie-studium begann. Dies war auf der Universität nicht mehr möglich nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Die Lehrveranstaltungen fanden ausschließlich im Priesterseminar statt, das damals überfüllt war! Dies ist umso erstaunlicher, als das Seminar unter strenger Beobachtung durch die Nazis stand. Brantzen erinnerte sich, dass eines morgens auf dem Gehsteig vor dem Seminar geschrieben stand „Hängt die Juden auf, stellt die Pfaffen an die Wand!“. Trotz dieser psychischen Belastung führte er das Studium zu Ende und wurde am 6. Januar 1938 zum Priester geweiht.

Er nahm eine Kaplanstelle in Mainz St. Stephan an. Von Anfang an wurde er von der Gestapo überwacht, die seine couragierten Predigten protokollierten. Er kritisierte öffentlich die Missachtung der Menschenrechte durch die Nazis und sah es als seine Aufgabe an, ihnen Widerstand zu leisten und sich nicht durch Verbote und Gesetze zum Schweigen bringen zu lassen.

Offensichtlich um ihn vor der Verfolgung zu schützen wurde er nach Offenbach-Bürgel versetzt. Aber auch dort veränderten sich seine Einstellungen nicht, und er predigte nach wie vor gegen das Nazi-Regime.

Eine erneute Versetzung nach Heusenstamm zum 1.2.1941 war verbunden mit einer intensivierten Beobachtung durch die Gestapo. Durch die wöchentlichen Jugendstunden, Predigten am Wochenende und die Jugendandachten gewann er schnell das Herz der Jugendlichen. Er hinterließ einen bleibenden Eindruck bei ihnen. Er vermied es, als Respektsperson aufzutreten, sondern war nahbar, wirkte jugendlich und nahm die Anliegen der Kinder und Jugendlichen ernst. Die Menschen, die sich noch an ihn erinnern konnten, beschrieben ihn als offen, zugänglich und spürten seine Begeisterung für Gott und die Kirche. Er lebte seinen Glauben vorbildlich und verstand es, die Jugend für die Kirche zu begeistern.

So bekamen seine Veranstaltungen immer mehr Zulauf, während die Nazis das mangelnde Interesse der Jugend für die Angebote der Hitlerjugend und des „Bundes Deutscher Mädel“ beklagten. Die Ausübung der Jugendseelsorge war verboten, und so beschränkte sich die seelsorgerische Arbeit auf die Messdienerstunden, welche oft von der Hitlerjugend gestört wurden.

Johannes Brantzen baute sich schnell einen Freundes- und Bekanntenkreis auf, der von seinen Gedanken und Ideen überzeugt war. Bald wurde er von ihnen vertraulich „Hans“ genannt. Vor allem mit Mitgliedern der ehemaligen Zentrumspartei traf er sich zum Kartenspielen und zu politischen Gesprächen.

Am Kirchweihsonntag (der Sonntag nach dem Fest Kreuzerhöhung am 14. September) hielt Brantzen eine Predigt mit dem Titel „Alles deutsch – auch im Glauben?“. Er fragte von der Kanzel, ob denn Perserteppiche und Bohnenkaffee auch deutsch wären, oder ob es deutsche Bananen gäbe. Zwei anwesende Nazispitzel schrieben alles mit und übergaben die Notizen der Gestapo. In dieser Predigt sprach er auch die Worte, die ihm zum Verhängnis werden sollten:

Am darauffolgenden Dienstag wurde seine Wohnung nach „Beweismaterial“ durchsucht, und er wurde verhaftet.

Material:

Aus dem Lagebericht des Bürgermeisters an den Landrat (nachgesprochen)

Man brachte ihn in das Gestapo-Gefängnis nach Darmstadt, da er „in den letzten Monaten mehrere Predigten staatsabträglichen Inhalts gehalten und dadurch bewusst Unruhe in der Bevölkerung hervorgerufen hätte“. Als weiteren Grund nannten die Nazis „die Abhaltung weltlicher Vorträge bei den Jugendstunden, bei denen er gegen die geltenden Bestimmungen verstoßen habe“. Es wurde ihm vorgehalten: „Entweder dominiert in der Jugendarbeit der HJ-Führer oder der Kaplan. Beide nebeneinander sind bei uns nicht möglich“.

Von Darmstadt aus brachte man ihn in das KZ Dachau, wo er im „Priesterblock“ 26/2 untergebracht war. Dort erkrankte er, verursacht durch die katastrophale Versorgungslage, speziell gegen Ende des Krieges, an Hungertyphus. Total abgemagert und schwer gezeichnet, erlebte er den Tag der Befreiung des Konzentrationslagers am 29. April 1945.

Schon kurz nach Kriegsende veröffentlichte Brantzen eine Broschüre mit dem Titel „Hat die Kirche im NS-Regime geschwiegen?“, in der er sich kritisch mit dem Verhältnis der Kirche zum national-sozialistischen Regime auseinandersetzte.

Er übernahm eine Pfarrstelle in Mainz, wo er Hilfe für die notleidende Zivilbevölkerung organisierte. Neben seiner Arbeit als Seelsorger hatte er von Bischof Stohr den Auftrag bekommen, in der mittelhessischen Stadt Nidda eine neue Kirche zu bauen. Mithilfe seines Einsatzes und seines Elans, der auch die Jugendlichen der Gemeinde ansteckte, konnte die Kirche schließlich am 1.5.1954 geweiht werden. Im November 1954 wurde ihm der Titel „Pfarrer“ verliehen. Er wirkte weiterhin in vielen Kirchengemeinden in Süd- und Mittelhessen und baute in Mainz sogar eine Pfarrei ganz neu auf. Sein segensreiches priesterliches Wirken beendete sein früher und unerwarteter Tod während einer Begräbnisfeier auf dem Mainzer Hauptfriedhof am 18.10.1979

Im Jahr 2007 wurde zu seinen Ehren an der Kirchenmauer von St. Cäcilia eine Gedenktafel installiert.
In Heusenstamm ist und bleibt er unvergessen.

    Quelle:

  • Lea Stoffl: Pfarrer Johannes Brantzen 1912- 1979 – ein Lebensbild; Mainz 2017
  • Lagebericht des Bürgermeisters vom 22.9.1941, Stadtarchiv Heusenstamm

MEDIEN-EINTRÄGE

Kaplan Brantzen

Kaplan Brantzen

Gedenktafel für Kaplan Brantzen

Gedenktafel für Kaplan Brantzen

Aus dem Lagebericht des Bürgermeisters an den Landrat (nachgesprochen)