Heusenstamm

in der NS-Zeit

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BAHNHOFSVORPLATZ1

Bahnhofstraße

Dieser Ort war Zentrum der NS-Propaganda in Heusenstamm. Hier wurde versucht die Bevölkerung mit der nationalsozialistischen Ideologie zu durchdringen. So wundert es nicht, dass der Bahnhofsvorplatz gleich in der ersten Sitzung des neuen, von den Nazis dominierten Gemeinderats in Adolf-Hitler-Platz umbenannt wurde.

Hier fanden Kundgebungen und das gemeinsame Anhören der vom Gemeindefunk übertragenen Hitlerreden statt. Zu Paraden, Aufmärschen, Fackelzügen stellte man sich hier auf und zog dann von Spielmannszügen begleitet durch die Ortsstraßen. Die Zuschauer am Straßenrand konnten sich nur schwer der beabsichtigten Wirkung entziehen.
An diesen Veranstaltungen nahmen regelmäßig neben den Mitgliedern der NSDAP und ihrer Untergliederungen auch die Heusenstammer Vereine teil. Sie wurden ab Mai 1933 alle gleichgeschaltet. Nur den Nationalsozialisten genehme Vereine durften weiter bestehen. Sie standen aber unter regelmäßiger Kontrolle.

Neben dem Bahnhofsvorplatz wurden die Straßen umbenannt, deren Namensgeber Politiker der Weimarer Republik gewesen waren. Stattdessen wurden Namen von NS-Größen und -Helden eingesetzt.

Geändert wurden:

  • Bahnhofsplatz in Adolf-Hitler-Platz
  • Erzbergerstraße in Hermann-Göring-Straße
  • Rathenaustraße in Peter-Gemeinder-Straße
  • Friedrich-Ebert-Straße in Horst-Wessel-Straße

Am Beispiel von 1934 - dem ersten Jahr nach der Machtübernahme – lässt sich zeigen, wie präsent von Anfang an die NS-Propaganda in Heusenstamm war. Es gab neben den jährlich wiederkehrenden Feiern („Tag der Machtergreifung“, „Heldengedenktag“, „Hitlers Geburtstag“, „Tag der nationalen Arbeit“ am 1. Mai, Sonnwendfeier, Aufmarsch anlässlich des Nürnberger Parteitags, Tag des Bauern, Tag des Handwerkers, Gedenken an die Toten des Hitlerputsches) noch weitere aus aktuellem Anlass (Feier zur Weihung der neuen Parteifahne, Fackelzug des Reichsluftschutzbundes, Gedenkfeier für Hindenburg). In den Folgejahren kamen noch viele weitere Anlässe hinzu.

Die Gleichschaltung der Vereine geschah in verschiedenen Etappen und war Ende 1933 vollzogen: Zunächst wurden sämtliche Arbeitervereine, die der SPD und KPD nahestanden, verboten. In Heusenstamm betraf dies den „Arbeitergesangverein Konkordia“, die „Freie Turnerschaft“ und den „Arbeiter-Radfahrverein Vorwärts“. Ihr Besitz wurde beschlagnahmt und anderen Vereinen zur Nutzung überlassen. So wurde die Turnhalle der Freien Turner an das Jungvolk übergeben, Fußballertrikots an den Fußballsportverein und die Noten des Arbeitergesangvereins an den bürgerlichen Gesangverein Konkordia.

Die übriggebliebenen „bürgerlichen“ Vereine ließen die Nationalsozialisten zwar weiter bestehen. Sie mussten ihren Vorstand aber so umbesetzen, wie es die Führung der NSDAP-Ortsgruppe verordnete. Das verlief nicht immer reibungslos. Unmut erregte der Turnverein – mit 210 Mitgliedern der größte Verein - , der trotz mehrmaliger Aufforderung keinen genehmen Kandidaten vorschlug. Schwierigkeiten gab es auch beim Männerchor, dessen Vorsitzender schließlich entfernt wurde, weil er nicht genug nationalsozialistische Gesinnung zeigte. Es wurde auch vorgeschrieben, wer Vereinsmitglied sein durfte. Oppositionelle und Juden gehörten nicht dazu. Das traf besonders hart die jüdischen Kinder, die nicht mehr an den gemeinsamen Turnstunden ihres Vereins teilnehmen durften.

Die Einflussnahme in das Vereinsleben ging über diese Maßnahmen noch hinaus. Alle Vereine mussten eigenständige Veranstaltungen mit genauer Angabe der Programmfolge bei der Kreispropagandaabteilung in Offenbach genehmigen lassen. Bei Vereinsfeiern stellte die NSDAP den Hauptredner. Sieg Heil-Rufe und Horst-Wessel-Lied umrahmten die Feiern.

Material:

Zeitzeugen zum Verbot der Arbeitervereine (nachgesprochen)

Zu einer Zeit, als der Rundfunk noch wenig verbreitet war und es noch kein Fernsehen gab, waren die Menschen in weitaus größerem Maße als heute in Vereinen organisiert. In Heusenstamm war ungefähr jeder Dritte Mitglied eines Vereins. Die Tätigkeit dort gehörte praktisch zur einzigen Freizeitbeschäftigung außerhalb der Familie. Deshalb hat die Gleichschaltung der Vereine eine besondere Bedeutung.

    Quelle:

  • 1 Vgl. Beez, Fischer a.a.O, Kap.5 und 8.4

MEDIEN ZU DIESER STATION

Mitglieder der freien Turnerschaft

Mitglieder der freien Turnerschaft

Turnverein 1935

Turnverein 1935

Fronleichnamsprozession am Bahnhofsvorplatz 1939

Fronleichnamsprozession am Bahnhofsvorplatz 1939

Zeitzeugen zum Verbot der Arbeitervereine (nachgesprochen)